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Avatar

Posted by Tim E. on Donnerstag, Dezember 31, 2009
Ich kann von mir sagen, dass das alltägliche Leben mich abstumpfen lässt.
Vielleicht stehe ich nicht alleine in diesem immer dichter werdenden Nebel der faden, verschwimmenden Welt, doch werden es wohl hauptsächlich ältere Personen sein, die so fühlen wie ich. Ausgelöst durch den Trott, jeden Tag wieder etwas zu tun oder tun zu müssen, was man schon in sehr ähnlicher Form, nach einem sehr ähnlichen Muster, schon Male zuvor tun musste...

Es ist trivial, warum ich mich so fühle, oder so denke (wahrscheinlich liegt es daran, dass ich weder studiere, noch arbeite, sondern den Großteil meines Tages in meinen vier Wänden verbringe), ich möchte viel lieber davon berichten, wie die Welt für mich wieder Farbe bekommt, wie etwas in mir wieder erwacht, die Augen, lange glasig und getrübt, wieder klar sehen und ich merke, dass es so viel mehr gibt, als man vor allem nach langen Tagen der Gleichgültigkeit zu vernehmen mag...

Den meisten muss man nicht erklären oder zeigen, wie sie sich angenehm zu leben haben. Vielen, wahrscheinlich den Meisten, gelingt es automatisch, den Tag und das Jahr so zu gestalten, dass sie auskosten, was für sie bereitgestellt wird. Andere, so zähle ich mich zu jenen, brauchen ab und an einen Schubser, einen Wegzeig - oder auch einen sanften Tritt in den Hintern, um wieder zu erkennen, dass es so viel Schönes auf der Welt gibt... wieder andere kann und sollte man retten... andere sind leider verloren...


Ich besuche selten das Kino, hauptsächlich, weil ich das Geld nicht aufbringen kann oder möchte, oder weil ich mir etwas vormache, mich fadenscheinig aus der Situation rede - und mich auch selbst verarsche.
Umso schöner ist es somit, sollte ich das Kino besuchen, um mir einen Film anzuschauen.

Vielleicht rede ich gerade nur aus Euphorie, doch finde ich, dass das Kino eines der schönsten Portale zu einer farbenfrohen Welt ist, die der Mensch geschaffen hat.
Ist auch die wirklich schöne, farbenfrohe und reale Welt um uns herum - so gelingt es leider dem Menschen immer mehr, sie zu vergessen, zu verdrängen - und zu zerstören.

Ich möchte mich nicht damit in Einverständnis setzen, dies befürworten oder vertreten, doch bin auch ich mit der Zeit blinder geworden für die Dinge, die uns umgeben und unseren Alltag schön machen. Ich kann mich sicherlich noch sehr reich schätzen, wenn ich sagen kann, dass mich der Geruch von Regen noch fasziniert; dass ich stehen bleibe, wenn ich auf dem Weg irgendwohin bin, um mein Gesicht in den Wind zu halten, der durch die Blätter weht und eine Geschichte erzählen kann, wenn man ihm lauscht; dass ich mich freue, wenn der Schnee fällt und ich in den Himmel sehe und zwischen den weißen Wolken vereinzelt Sterne sehe und mir klar wird, dass ich klein, unendlich klein bin - und dennoch lebe...

Andere Menschen, erkennen wenigstens noch, dass es einen (inneren) Frieden gibt, jedoch nicht hier, sondern an Orten, die man nicht sehr leicht erreichen kann... allzu gerne würde ich z.B. einmal das Leben eines Mönches teilen, in Nepal oder in der alten Welt der Majas...
Und für diese, die das Glück an einem fernen Ort sehen, aber es nicht mit ihrer momentanen Kraft aufbringen können, diesen Ort zu erreichen, für diese glaube ich, dass das Kino ihnen diese Welten näher bringt als vieles, vielleicht alles andere, was der Mensch geschaffen hat.


Ich ging heute in das Kino, um mir den Film Avatar anzusehen, dank des tollen Polarisations-3D-Effekts in einer noch viel schöneren Variation des Erlebens.

Es ist eine Sache, einen wunderschön gemachten Film in einem monströsen und atemberaubenden Format zu sehen und die Füße von den sanften, aber mächtigen Stößen der Klänge und der Musik vibrieren zu lassen - es ist etwas anderes, selber in den Film einzutauchen, selber auf dem Baumstamm zu stehen, den gerade der Protagonist beschreitet und selber in die Tiefe zu blicken und das Gefühl im Magen zu haben, das nur die Höhenangst hervorrufen kann...

Soweit zu der 3D-Technologie, die ich in den höchsten Tönen loben möchte. Dafür, dass sie jemanden noch viel näher an das führen kann, was doch so weit weg ist und lediglich unserer Fantasie überlassen bleibt.


An dieser Stelle warne ich lieber noch einmal, dass ich vielleicht etwas spoilen (verraten) werde, was den Inhalt des Filmes angeht. Ich probiere, es gering zu halten, doch weiß ich nicht, inwiefern es jemanden beeinflusst, der den Film noch sehen möchte. Und ich kann nur raten:

Schaut euch den Film an. Und zwar im Kino, in ganz groß und mächtig - denn dafür werden Filme gemacht.

Denn es lohnt sich wirklich.


Der Verlauf eines Filmes ist schon seit langem ausgelutscht. Spätestens, seitdem Brecht seine Dramentheorie aufgestellt hat, wissen die meisten von uns, was sie von einem Roman zu erwarten haben, wenn sie diesen mehr oder minder aufmerksam lesen. Die Zeichen lassen sich deuten, vieles auslegen - und in den meisten Fällen behält man auch recht.
Doch darum geht es nicht.

Denn wenn ich nur einmal vergessen kann, wie es um die Kulissen steht, wenn ich mich davon abhalten kann, auf die Uhr zu sehen und erkenne, dass noch 1/4 des Filmes vor mir liegt und ich mir sagen kann "Oh, der Hauptcharakter kann gar nicht jetzt sterben, das kommt erst noch"; wenn ich vergessen kann, dass es wahrscheinlich ein gutes Ende nehmen wird, sondern wirklich noch hoffen kann, dass es noch gut verläuft, ohne Gewissheit zu haben: Dann bin ich bereit für den Film. Und dieser sollte sein Bestes geben, um mich in diesem Bann zu halten.

Und Avatar hat dies getan. 161 Minuten Film, in keiner einzigen Sekunde habe ich gewagt, mich ablenken zu lassen von der Geschichte, die mir erzählt wurde:

Die Reise in eine ferne Welt, unserer ähnlich, aber doch in so vielen Punkten verschieden. Es ist eine Reise in ein Traumland, so schillernd und bunt, so verzaubernd und so verspielt. Es ist wunderschön, wenn der Boden diffus leuchtet, wenn er betreten wird, kleine Tiere sich wie Propeller in die Lüfte erheben oder selbst die kleinsten Blumen und Lebewesen so schillernd sind, dass man verrückt werden möchte - doch es ist auch so episch, wenn man in Bräuche verwickelt wird, die bei uns seit den Cowboy - und - Indianer - Filmen in Vergessenheit geraten sind und nun wieder aufgenommen werden, mit ihrer Seele und den Gefühlen.

Ich will nicht wirklich den Film rezensieren, das überlasse ich meinem geschätzen Freund merkenau, der viel mehr Ahnung und Erfahrung hat, wie man vor allem Filme verpackt und darlegt, ohne sie uninteressant zu machen.
Vielmehr möchte ich ausdrücken, wie nahe es mir ging, diese beiden Rassen zu sehen, wie sie vor- und nebeneinander standen und sich betrachteten. Und ich konnte vergessen, dass diese Kreaturen zum größten Teil animiert waren und wollte weinen, als ich sah, wie viel Herz in den blauen Na'vi, steckte - und wie viel Herz den Menschen doch schon fehlt.


Avatar ist ein Film, der mir wieder die Augen geöffnet hat, auch wenn jetzt vieles noch viel weiter entfernt scheint, als es eh schon ist. Aber das gehört eben zum Sehen dazu, zu erkennen, wie klein man doch ist in diesem Universum und sogar seiner eigenen Fantasie... und dass man auch Kleines schätzen muss, wenn man selbst geschätzt werden will.

Und auch wenn ich nur so schwärmen kann, weil ich so lange keinen Film mehr gesehen habe (oder weil ich total vergesslich bin): Etwas, das jemanden wieder fühlen lässt, ist wichtiger als das Meiste der Welt.

Und dieser Film hat dies bei mir vollends erreicht.

1 Comments


ui, da bin ich jetzt ja schon quasi in der pflicht eine rezension zu schreiben. so viel sei verraten: bin schon halb dabei ;)

schöner, wenn auch anfangs etwas übertriebener, blogeintrag ;)

kann mich deiner halbrenzension zu avatr auch bislang gut anschließen. vielleicht zitiere ich dich auch in der ein oder anderen formulierung, die mir sehr gut gefiel.

merkenau

ps: volk maya/=biene maja

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