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Eine ganze Menge Blut

Posted by Tim E. on Donnerstag, September 04, 2008
Um unseren Patienten den Aufenthalt so angenehm wie möglich zu gestalten, bringen wir Ihnen gerne Taschentücher an die Liege.


So oder so ähnlich prangt ein kleines Schild in dem Raum.
Ich, der es sich auf einer Liege bequem gemacht hat, hegt großes Interesse in einem solchen Service. Wenn ich hier eh nur rumliege und nichts tue, warum sollte ich dann nicht noch etwas Spaß haben?

"Entschuldigung? Könnte ich bitte ein paar Taschentücher haben? Ich will ja nicht alles vollsauen, wenn ich mich gleich 'beglücke'."

"Natürlich, dafür sind die Dinger ja da!"


So oder so ähnlich lief das ganze in meiner Fantasie ab. Wer bietet denn Taschentücher als Komfortleistung an? Darauf kommen doch nur... ja wo bin ich denn überhaupt?



Ich befinde mich in horizontaler Lage, die Füße höher als der Oberkörper. Schnell geht mein Puls, meine Augen rasen hin und her.

"Wo bin ich? Was mache ich hier?"


Gleißendes Weiß, von überall scheint es mir fies entgegen. Mein Blick fällt auf meinen linken Arm. Doch als ich mich krampfend feststarre an dem Schlauch, welcher aus meiner Armbeuge ragt und sich windend in eine grausam ratternde Maschine mit vielen, beweglichen Teilchen führt, und die wabernde Flüssigkeit saftigen Rotes beobachte, wie es meinem Körper entrissen wird, nimmt ein mulmiges Gefühl in meinem Magensessel Platz.

"Wurde ich entführt? Was macht man mit dem ganzen Blut? Warum gerade ich?"


Solche und noch mehr Fragen stoben durch den Kopf, als man mir auch den letzten Rest des Lebenssaftes aus dem Adern saugt.

Mit einem Schmatzen fliegen noch drei, vier, fünf Tropfen durch den Kanal, dann ist es vorbei.



"So, das Blut wird jetzt wieder zurückgepumpt, das könnte etwas kribbeln. Bloß keine Angst!"



So spricht die Dame in weiß und geht zu meinem Nebenmann. Überhaupt ist der ganze Raum voller Leute in horizontal, denen Blut aus den Armen gesogen und wieder gepumpt wird.

Warum?

Ich will es euch sagen.



Ich spende in diesem Augeblick Blutplasma - also nicht Blut, sondern nur das Plasma, welches durch eine Zentrifuge aus meinem Blut gewonnen wird. Anschließend kehrt das plasmaarme Blut in meinen Körper zurück und schwimmt fröhlich weiter - ich werde schon wieder Plasma nachproduzieren.

Ich liege hier, weil mich jemand geworben hatte. Dabei hatte Jonny nicht nur mich überzeugen können, sondern auch Ole, Daniel und Flo... und sich somit nebenbei eine goldene Nase verdient.

Zwar dauert es eine gute Weile, bis ich meine 750 ml Blutplasma abgegeben habe (~1 Stunde), und ist auch der Schmerz nach der Benadelung etwas ungewohnt und unangenehm, doch gehe ich irgendwie erleichtert und um einige Taler reicher mit einem feinen Druckverband aus dem Gebäude.


Plasma zu spenden ist schon was komisches. Es ist wie eine Blutabnahme, aber wesentlich bekömmlicher für den Körper, da er kein Blut verliert. Und ich helfe einigen Menschen wirklich! Nebenbei verdien ich auch noch Geld, aber das ist, wirklich, nur nebenbei. Und doch gebe ich mal eben einen Teil des Saftes, der uns alle am Leben hält. Einfach so. Verrückt.



Apfelsaft in der einen, ein Handy in der anderen Hand verlasse ich die Spendestelle. Ich fühle mich nicht schummerig oder schwindelig, vielleicht etwas hungrig.

Eventuell kaufe ich mir jetzt einen Cheeseburger. Oder zwei. Oder gleich etwas mehr. Denn wenn mir irgendetwas den Appetit nicht verdorben hat, dann die Blutplasmaspende.



Und wenn ich mir jetzt, knapp 8 Stunden nach der Entnahme, die Stichstelle anschaue, so weiß ich bestimmt:

Ich werde noch viele Liter des Plasmas spenden!

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